„In Deutschland kann ich leider keinen Hengst halten.“ Diesen Satz hören wir von unseren Schülern immer wieder. Und leider gibt es anscheinend wirklich kaum Möglichkeiten, ein männliches, unkastriertes Tier artgerecht unterzubringen – zumindest, wenn man auf einen Pensionsstall angewiesen ist und seine Pferde nicht in Eigenregie halten kann.

Doch woran liegt das? Warum scheint Hengsthaltung in Nordeuropa nicht nur fast unmöglich, sondern in bestimmten Kreisen fast schon verpönt? Woher kommt sie, die Angst vor Testosteron? Und warum kriegt man das im Süden des Kontinents offensichtlich viel eher hin? 

Wer jetzt denkt: Ist doch klar: Da stehen die Tiere schließlich auch in Einzelhaft, in dunklen Boxen abgeschottet vom Rest der Welt und sämtlichen Außenreizen! Dem müssen wir sagen: Das mag in vielen Fällen so sein und ist natürlich zu beklagen. Aber es gibt auch reichlich Beispiele, in denen sogar ein Nebeneinander von Hengsten und Stuten überhaupt kein Problem ist.

Etwa bei uns: Wir haben aktuell drei Stuten im Stall, für viele unserer Hengste in Sicht- und vor allem auch in Riechweite. Und dennoch gibt es eigentlich nie Theater. Warum? 

Die Antwort ist einfach, und doch für viele Laien schwer zu verstehen.

Es kommt darauf an, dass sowohl Hengste als auch Stuten in sich ruhen – mental wie körperlich. Das erreicht man in erster Linie durch ein gutes Arbeitskonzept: Ein Pferd, dass sich jeden Tag körperlich betätigt und dabei sich dabei gut und umfassend nutzt, fühlt sich wohl in seiner Haut. Der körperliche Zustand steht in unmittelbarer Wechselwirkung mit dem mentalen Zustand.  Jeder weiß, wie gut man sich nach einer intensiven Sporteinheit fühlt. Wer so zu sich gefunden hat, ist kaum anfällig für „Aufreger“ jeder Art. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel. Und wenn der Reiz nur groß genug ist, kann man schon mal ausrasten. Doch die Schwelle dafür liegt viel höher, und die Toleranz gegenüber Außenreizen – auch sexueller Natur – ist größer.

Dazu kommt, dass auch unsere Stuten fortwährend reell gearbeitet werden. Das gibt ihnen eine Aufgabe und holt sie mental ein Stück weit weg von ihrem an sich stark instinkt-gesteuerten Sexual-Verhalten. Somit lassen auch sie sich von einem erregten Hengst nicht mehr so leicht aus der Fassung bringen, was diesen ja nur noch mehr aufregen würde – der Teufelskreis ist durchbrochen.

Bei uns hat jedes Pferd seinen festen Platz. Die Rangordnung ist klar geregelt. Jedes Pferd wird gesehen, mit all seinen Wesenszügen und Bedürfnissen und kann getrost an uns „abgeben“, sich fallen lassen und uns als Herdenchefs vertrauen. Das bringt ebenfalls eine große Ruhe in die Stallgemeinschaft – keiner hat es nötig, sich wegen einer vorbeilaufenden Stute aufzuregen. Das wäre unseren Jungs auch viel zu anstrengend 🙂 

In vielen Pensionsställen ist ein derart stabiles Umfeld leider Utopie. Zu groß das Kommen und Gehen neuer Einsteller, zu gering die Forderung und Förderung vieler Pferde auf sportlicher und geistiger Ebene und zu rudimentär das Verständnis vieler Besitzer für diese Zusammenhänge. So lange sich das nicht in großem Stil ändert, und die paar Hengste das vorherrschende Bild in den Köpfen prägen, die bald ihre Box auseinandernehmen, während die Stallkollegen rossige Stuten schnuppern lassen, nach dem Motto „Guck mal, der gefällt dir, oder?“ wird es wohl schwierig bleiben, in Nordeuropa Hengste zu halten.