Ein Pferd tief in seinem Innersten zu berühren und einen Einblick in seine Persönlichkeit und seinen Charakter zu bekommen, ist gar nicht so einfach. Denn wenn ein Jungpferd frisch von der Weide kommt, braucht es uns Menschen zunächst mal gar nicht: Es kam bis dato bestens alleine zurecht – sowohl mental als auch körperlich.
Natürlich hat es draußen gewisse Schiefen entwickelt, mit denen es im wahrsten Sinne des Wortes leben gelernt hat. So hat zum Beispiel eine Vielzahl von rohen Pferden im linken Hinterbein mehr physisches Bewusstsein als im rechten: Auf diesem Hinterbein bewerkstelligen sie alles – ob Wendung, Kampf oder Flucht. Das junge Pferd ist im Hinblick auf sein bisheriges Leben hoch funktional.
Doch jetzt ist da plötzlich der Mensch. Er möchte eine Beziehung zu ihm aufbauen und es auf seine Zukunft als Reitpferd vorbereiten – doch noch ist das Pferd weder körperlich dazu in der Lage, noch ist es gewillt, sich mit uns über ein gewisses Maß hinaus auseinanderzusetzen.
Und hier kommt die Arbeit an der Hand ins Spiel. Wir beginnen damit sehr früh, denn sie ermöglicht uns nicht nur, das Pferd körperlich so umzubauen, dass es seinen neuen Aufgaben gewachsen ist, sondern darüber hinaus in einen echten Dialog mit ihm zu treten. Über die Arbeit muss es sich zwangsläufig mit uns auseinandersetzen und sich auch mental für uns öffnen. Und damit meinen wir nicht, Verhaltensweisen anzukonditionieren und auf bestimmte Signale abrufbar zu machen. Wir meinen die echte, in erster Linie körperliche Arbeit, die das Pferd aus seinen alten Verhaltensmustern herausholt und ihm einen neuen Bezug zu seinem Körper gibt.
Wie immer, wenn man alte Strukturen löst und Teile neu verbindet, ist das bisweilen eine Überwindung und Herausforderung für den betroffenen Körper und damit auch für den Geist. Wie ein Pferd in diesen Momenten reagiert – ob es aufgeschlossen und neugierig mitmacht oder erst einmal „Nein“ zu Neuem sagt, sagt uns viel über seinen Charakter. Wir verlangen schließlich auch nicht wenig: Immerhin, dass uns das Pferd an sein Innerstes heranlässt – über seinen Körper erreichen wir schlussendlich auch seine Seele.