Wer will sie nicht, die enge, tiefe Verbindung mit seinem Pferd. Körperlich wie mental. Darüber wird so viel gesprochen, so viel diskutiert. Wann sind wir wirklich eins mit dem Pferd? Was bedeutet eine ehrliche, gute Verbindung? Und was braucht es dafür, wie kommen wir dahin?

Ich will mit einem Beispiel beginnen. Vor einigen Jahren kaufte ich den schönsten, aber eigenwilligsten Hengst, den ich bis dahin je gesehen hatte. Alles an diesem Pferd war wundervoll, anziehend und irgendwie einladend. Doch ich spürte, dass es eine unsichtbare Linie gab, die er mich nicht überschreiten ließ. Ich wusste zwar, dass er bereits ein paar schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht hatte, aber ich bin mir sicher, dass es auch schlicht und einfach aufgrund seiner Genetik seine Art war, so zu sein (viele Lusitanos und auch andere Arbeitsrassen bringen diesen Typ hervor). 

Zu Beginn unserer Arbeit versuchte ich, ihn mit viel Gefühl, all meinem Wissen und großer Geduld davon zu überzeugen, dass ich es gut mit ihm meinte. Das kostete mich keinerlei Überwindung – schließlich hatte ich mich in dieses Pferd von der ersten Sekunde an verliebt. Und wir kamen auch weiter. Er entwickelte sich gut – ich hätte allen Grund gehabt, zufrieden zu sein. 

Doch tief in mir spürte ich, dass unsere Verbindung nicht die war, die ich suchte, und die uns beiden wirklich weiterbrachte. In einer ersten Situation auf Leben und Tod hätte er mir den Rücken gekehrt. Vielleicht hätte sogar eine ernste Meinungsverschiedenheit ausgereicht, und er hätte mich ernsthaft verletzt. Was konnte ich in dieser Situation tun, um ihn für mich zu gewinnen – zu hundert Prozent, in jeder Situation? 

Ich beschloss, meinen Umgang mit ihm radikal zu verändern. In jedem noch so kleinen Moment, in dem ich es bis dahin geduldet hatte, wenn er sich ein wenig entzog, sei es über zu viel Distanz, sich nicht richtig im Körper zu nutzen oder auch mental nicht so richtig bei der Sache zu sein, bestand ich jetzt darauf, dass er alles gab. Auch wenn es hart klingt: Ich provozierte ihn so, dass er gezwungen war, sich mit mir und dem, was ich wollte, auseinander zusetzen. Körperlich und mental, jede Sekunde, bei allem, was wir taten. 

Ich erwartete von ihm, dass er mich direkt ansah. Ich erwartete, dass er sich mit seinen körperlichen Limits auseinandersetzte, an seine Grenzen ging und auch lernte, teilweise über sie hinwegzuarbeiten, auch wenn das bedeutete, dass es hier oder da mal etwas zwickte. Ich erwartete, dass er mich ganz nah an sich heranließ, man könnte auch sagen, in sich hinein. Ich verlangte von ihm, dass er seinen Ärger und seine Aggression beherrschen lernte. Und dass er mich immer vorher fragte, ob es okay wäre, dies oder jenes zu tun. Ich war es im Gegenzug, die die Verantwortung dafür trug, wie er sich dabei fühlte. 

Was ich niemals von ihm erwartete, war Zuneigung, geschweige denn Liebe. Ich wollte schlicht ein funktionales Arbeitsverhältnis, in dem meine klaren Ansagen zu hundert Prozent umgesetzt wurden. Sei es, dass er tolerieren musste, dass ich ihn anders putzte, als er es mochte, dass er bei der Handarbeit wirklich Last mit dem rechten Hinterbein aufnahm, oder dass er sich auch unter dem Sattel zu jeder Zeit beherrschte und kontrollierbar blieb. 

Mir ist bewusst, dass viele Reiter heutzutage ein gleichberechtigtes, partnerschaftliches Verhältnis mit ihrem Pferd möchten, in dem Entscheidungen im besten Fall gemeinsam getroffen werden – oder zumindest räumen sie dem Pferd ein großes Mitspracherecht ein. Ganz ehrlich: In meinen Augen kann das nicht funktionieren.

Wenn man ein fünfhundert Kilogramm schweres Pferd ausbildet, das mentale und körperliche Probleme hat, hier und da schmerzhaft ist oder zumindest großes Unbehagen verspürt, dann wird es kaum möglich sein, an diese Themen heranzukommen, wenn man immer einfach nur nett und mitfühlend ist. Das Pferd wird einen einfach nicht heranlassen an seine Problemzonen: Es will sich nicht damit auseinandersetzen und sucht seinen Weg, sie zu umgehen (natürlich ist das individuell verschieden und hängt auch von der Rasse und Geschichte des einzelnen Pferdes ab). 

Wenn ich mir nicht sicher sein kann, dass das Pferd immer dann, wenn ich das möchte, nach Kräften versucht, meinen Wünschen zu entsprechen, habe ich ein Problem: Im besten Fall arbeitet das Pferd mit, wenn ihm grade danach ist – im schlimmsten Fall komme ich nie an seine echten Themen heran, die so wichtig für seine gesunde Entwicklung wären.

Mir persönlich reicht das nicht. Denn dann bin ich definitiv nicht in der Führungsposition, in der ich sein müsste, um das Pferd optimal fördern zu können. Ich bin ihm jedoch verpflichtet, es bestmöglich zu trainieren, damit es ihm auf lange Sicht gut geht – und dafür brauche ich ein klares Arbeitsverhältnis. So kann ich dem Pferd dabei helfen, seinen Körper bestmöglich zu nutzen, und darüber auch mental ausgeglichen, zufrieden und glücklich zu werden.

Nur dann, wenn das Pferd komplett an mich abgeben kann, weil es weiß, dass ich aus Liebe und Respekt heraus handele, kann die magische Verbindung, von der wir alle träumen, Wirklichkeit werden.

Eure Lisa